Mit OKR und Dragon Dreaming finden rund 200 Festangestellte und 500 Ehrenamtliche bei dem Sozialunternehmen Acker e.V. in einem integrativen Prozess ihre Ziele. So können sie gemeinsam ihre Vision verwirklichen: Mehr Wertschätzung für Natur und Lebensmittel. Das Gespräch könnt ihr euch entweder als Audio-Aufnahme anhören oder als Text lesen.
Melanie Omogiate liebt ihren Garten. Sie züchtet neben Gemüse mit Begeisterung auch Schnittblumen und – als Wildkräuterpädagogin – natürlich auch jede Menge „Unkraut“. Mindestens genauso am Herzen liegt ihr, dass Menschen gut zusammenarbeiten. Da wundert es nicht, dass sie seit fast drei Jahren beim Acker e.V. arbeitet – einem Sozialunternehmen, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene durch seine Bildungsprogramme für mehr Wertschätzung gegenüber der Natur und Lebensmitteln begeistert.
Für diese Vision setzen sich bei Acker zurzeit rund 200 Mitarbeiter*innen und über 500 Ehrenamtliche in ganz Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz ein. Dazu gehören Kreative, Wissenschaftler*innen, Digital Natives, Pflanzenkenner*innen, Pädagog*innen, Kommunikationsprofis, IT-Expert*innen und noch viele mehr. Was sie alle verbindet? Die gemeinsame Vision!
Um die zu erreichen, brauchen sie gemeinsame Ziele. Jedes Team muss wissen, wie es in seinem Arbeitsalltag dazu beitragen kann, die strategischen Ziele und die Vision des Unternehmens zu verfolgen. Die Ziele sollen bei Acker aber nicht nur von oben nach unten vorgegeben werden. Vielmehr entwickeln alle Mitarbeitende ihre Ziele gemeinsam – also auch von unten nach oben. Dazu nutzt Acker bereits seit gut fünf Jahren OKR. Das ist eine Abkürzung für „Objectives and Key Results“, was übersetzt so viel heißt wie: Zielsetzung und überprüfbare Ergebnisse. 2024 begannt Melanie damit, OKR mit Dragon Dreaming Methoden zu ergänzen – und ganz Acker ist davon begeistert.
Deshalb freuen wir uns sehr, dass sich Melanie die Zeit genommen hat, um mit uns über diesen neuen Prozess zu sprechen.
Melanie, wer bist du und was machst du bei Acker?
Ich bin Melanie Omogiate und bei Acker mit sechs Teams dafür verantwortlich, die Bildungsprogramme für die Schulen, die Kitas sowie die Bildungsprogramme für die Hochschulen und Universitäten und unser Einsteigerprogramm an die Lernorte zu bringen. Und das von Anfang an – also von der Lernortgewinnung über das Onboarding bis hin zur Befähigung der Lernorte. Dabei stellen wir auch ehrenamtliche Unterstützung zur Verfügung, die auf dem Acker mit den Kindern das Saatgut, das Pflanzgut und die Jungpflanzen in die Erde bringen.
Welche Vision hat Acker?
Unsere Vision ist es, dass an jeder Schule und an jeder Kita ein Acker etabliert ist. So, wie es zum Beispiel auch in jeder Schule eine Turnhalle gibt. So haben alle Kinder innerhalb ihrer Schullaufbahn die Möglichkeit zu erleben, wie Gemüse angepflanzt wird und wächst. Sie können selbst Gemüse anpflanzen und ernten und dadurch einen ganz anderen Bezug zur Natur und zu Lebensmitteln herstellen. Das schaffen wir nur mit der Unterstützung unserer Ehrenamtlichen, die vor Ort die Lernorte begleiten.
Ihr nutzt OKR, um eure Vision in operative Ziele umzusetzen. Wie funktioniert das?
Genauso ist es. Es gibt eine große Vision, die wir alle verfolgen. Und es gibt Strategien, die notwendig sind, um diese Visionen zu erfüllen. Um die Visionen und Strategien auf die tägliche Arbeit herunter zu brechen nutzen wir OKR. Dies hilft uns dabei, die langfristigen Visionen in konkrete Ziele zu übersetzen. Diese konkreten Ziele entwickeln die einzelnen Teams für ihren Arbeitsbereich jeweils selbst. Bei OKR lassen sich Ziele pro Tertial oder Quartal festlegen. Wir bei Acker machen dies tertialweise. Pro Team gibt es für diesen Prozess einen Teamziele-Champion, der das Team durch den Prozess führt.
Davon erhoffen wir uns zum einen den Fokus pro Team: alle wissen, woran wir in der OKR-Logik jetzt gerade arbeiten. Zum anderen soll der Prozess transparent machen, wo ein Team vielleicht noch Unterstützung aus anderen Teams braucht. Denn kaum eine Aufgabe oder Herausforderung lässt sich losgelöst nur in einem Team betrachten oder lösen.
Was hat euch gefehlt? Wieso nutzt ihr Dragon Dreaming?
OKR soll das ganze Team integrieren und so das Zielmanagement in agiler Arbeitsweise ermöglichen. Die Idee ist super, doch in der Umsetzung fühlt es sich oft nicht immer als Chance und Ermächtigung an. Wenn die Teams nämlich keine konkrete Methode zur Hand haben, um gemeinsam die Ziele zu stecken, dann kann dies manche überfordern. Es kann dann schwerfallen, die Ziele greifbar zu machen und zu formulieren. Teilweise bleibt die Zielformulierung an wenigen Teammitgliedern hängen. Das war der Punkt, an dem ich dachte: „Da muss etwas her, was die OKR-Logik in den Teams tatsächlich zu einer positiven Erfahrung macht.“
OKR und Dragon Dreaming: Wie kam es dazu, dass du dich mit dem Thema auseinander gesetzt hast?
Das war eine spannende Kombination von Umständen: Wir hatten vor einigen Jahren eine größere Umstrukturierung. In diesem Zuge bin ich Cluster-Leitung geworden. Vorher war ich als Teamleitung bei Acker. Gleichzeitig habe ich die Ausbildung zur Dragon-Dreaming-Trainerin bei dir begonnen. In diesem Zusammenhang habe ich mir überlegt: „Was brauchen die Teams für die ich jetzt verantwortlich bin? Welche Unterstützung brauchen sie, damit wir einen gemeinsamen Fokus setzen können? Und wie können wir gemeinsam an den Zielen arbeiten, die wir auch aus strategischer Sicht erreichen wollen?“ Von da aus bin ich schnell auf die Dragon Dreaming Methoden „Traumkreis“ und „Objective Setting“ gekommen.
Wie sieht die Kombination von OKR und Dragon Dreaming aus?
Die beiden Ansätze zu kombinieren, war erst mal nur eine Idee in meinem Kopf. Mit dieser Idee bin ich zu dem OKR-Prozessverantwortlichen gegangen und habe ihm meine Idee vorgestellt. Da zeigte sich, dass nicht nur mir konkrete Methoden für die Zielfindung fehlen, sondern dass dieses Feedback auch von anderer Stelle kam. Deshalb haben wir die beiden Methoden genau gechallenged. Das heißt wir haben uns angeschaut, welche Methode auf was abzielt – und wie wir sie so kombinieren können, sodass wir nichts doppelt machen, sondern die Methoden bestmöglich ineinandergreifen. So sind wir auf ein „U“ gekommen:
Auf der einen Seite haben wir die strategischen Ziele, die aus dem Strategiekreis und von der Geschäftsleitung kommen. Dazu gehören die Visionen und langfristigen Ziele. Auf der anderen Seite haben wir den Traumkreis, den wir bei Acker derzeit für ein Jahr träumen. Aus diesem Traum leiten wir dann dreimal im Jahr die Tertialziele ab. Diese verschiedenen Ziele fallen in das U hinein und treffen sich unten in der Mitte, um sie hier noch mal zu challengen. Das heißt wir prüfen an dieser Stelle, ob die Teams tatsächlich an Themen arbeiten, die uns auch aus strategischer Sicht voranbringen. Und ob das reicht, was sich die Teams intrinsisch als Tertialziele setzen, um die strategischen Ziele zu erreichen.
Diese Abstimmung kann natürlich in beide Richtungen gehen: Es kann sein, dass die Geschäftsführung und der Strategiekreis noch mal an den Jahreszielen schrauben muss. Es kann aber auch sein, dass einzelne Teams noch mal in ihre Ziele gehen und diese nachschärfen. Das Ziel ist es, dass alle der Meinung sind: „Mit diesen Tertialzielen werden wir unsere langfristigen Ziele erreichen.“
Das war ein Gewinn, den wir am Anfang gar nicht so vorhergesehen hatten. Erst im Prozess hat sich dies spürbar gezeigt. Die Vorteile, die wir uns von Anfang an erhofft hatten, waren, dass wir das Engagement der Mitarbeitenden steigern und sie sich aktiver am Teamzieleprozess beteiligen.
Wie ergänzen sich die OKR und Dragon Dreaming?
Wir haben die Dragon Dreaming Methoden „Traumkreis“ und „Objective Setting“ an den Anfang des OKR-Prozesses gesetzt. Die Methoden haben wir den Teamziele-Champions vorab vermittelt, sodass sie sie in ihren Teams anleiten können. Das Team beginnt mit der Methode „Traumkreis“. Dabei handelt es sich um eine sehr langsame und achtsame Methode, die einen Raum schafft, in dem sich die Mitarbeitenden öffnen und ihre Träume, Bedürfnisse, Ideen und Ziele austauschen können. Dabei beflügeln sich die Menschen gegenseitig: indem man die Träume der anderen hört, entstehen auch noch mal neue Träume. Der Traumkreis ist eine sehr weite Methode. Hier kann alles raus, es hat alles Platz und kann nebeneinander stehen. Wir haben festgestellt, dass wir auf diese Weise nicht nur gemeinsam auf unsere OKRs hinarbeiten. Hier entsteht auch noch mal ein neues, vertrauensvolles Miteinander. Die Methode ist also auch in gewisser Weise auch eine Teambuilding-Maßnahme.
Als nächstes kommt dann das Objective Setting. Mit dieser Methode kondensiert das Team die vielen Träume zu zwei bis drei ganz konkreten Teilzielen. Diese Teilziele haben wir in unserer Wirkungslogik in Wirkungsziele formuliert. Mit einem Online-Tool, das wir für den OKR-Prozess verwenden, können wir die Ziele dann tracken. Wir können verfolgen, wo das Team steht und Verknüpfungen zu anderen Teams sichtbar machen.
Wie habt ihr die Teamziele mit den unternehmensweiten Zielen zusammengeführt?
Die Ziele der Teams haben wir auf die Jahresziele von Acker gemappt. Dazu schaut sich der Teamziele-Champion an, worauf die Teamziele einzahlen. Das können Jahresziele aus dem U sein, die von der Geschäftsführung und dem Strategiekreis vorgegeben sind. Das können aber auch Mittelfrist- oder sogar Visionsziele sein. Das hängt vom Team und dem Kontext ab, in dem das Team arbeitet.
Jedes Jahresziel hat bei Acker einen Verantwortlichen aus dem Strategiekreis, der dann wiederum darauf achtet, ob das Jahresziel mit den Teamzielen, die darauf einzahlen, überhaupt zu erreichen ist. Ist das nicht der Fall, sorgt er für mehr Ressourcen oder Abstimmung.
DIE NÄCHSTEN WORKSHOPS
Dragon Dreaming in der Praxis
Lerne die Methoden und Prozesse in inspirierender Atmosphäre kennen. Gemeinsam tauchen wir tief ein und erproben die Methoden in Kleingruppen anhand realer Projekte.
MUT | free Webinar | 23. Januar 2025 | 17:00-18:00
MOTIVATION | free Webinar | 20. März 2025 | 19:30-20:30
INTENSIV WORKSHOP Dragon Dreaming | Workshop im Ökodorf Sieben Linden | 9.-14.11.2025
DRAGON-DREAMING-TRAINER*IN | 1-Jahres-Ausbildung | 14. November 2025 – Okt./Nov. 2026
Das Jahr neigt sich dem Ende zu – wie ist das Feedback?
Das Feedback zu den Dragon Dreaming Methoden war durchweg positiv. Wenn man das Feedback zusammenfasst, dann trug Dragon Dreaming zu einer wertschätzenden Atmosphäre bei, weil sich die Teams dadurch die Zeit genommen haben, ihre Träume miteinander zu teilen und so zu gemeinsamen Zielen zu kommen. Der Unterschied zu vorher ist, dass nun wirklich alle an den Teamzielen arbeiten und sich alle darin wiederfinden. So ist der OKR-Prozess nun tatsächlich zu einem Teamprozess geworden. Auch diejenigen, die stiller sind oder ihre Meinung sonst nicht so gerne teilen, kommen in diesem Prozess zu Wort.
Was würdest du beim nächsten Mal anders machen?
Zum einen war die Vorbereitungszeit zu knapp. Ich habe den Aufwand unterschätzt, den es braucht, um rund 15 Teamziele-Champions so zu schulen, dass sie die Methoden auch wirklich sicher in ihre Teams tragen können. Dazu kam noch, dass wir die Methoden zum Teil digital vermittelt haben – denn viele Acker-Teams arbeiten digital und remote. Die digitalen Boards vorzubereiten, damit die Teamziele-Champions diesen Aufwand nicht auch noch haben, hat viel Zeit gekostet. Das war auf jeden Fall ein Learning.
Außerdem habe ich unterschätzt, dass es zunächst Vorbehalte gegenüber den Methoden geben kann. Es gab schon Teamziele-Champions, die durchaus skeptisch waren, ob die Methoden wirklich funktionieren. Und es brauchte das Vertrauen, dass die vielen Träume dastehen können – ohne das dies bedeutet, dass die Teams das alles in nächsten Tertial erledigen müssen! Es war wichtig zu vermitteln, dass es einfach darum geht, den Raum zu öffnen, Träume zu äußern und aufzuschreiben – ohne Konsequenzen.
Hilfreich war, dass das Angebot freiwillig war. Kein Team musste die Dragon Dreaming Methoden anwenden. Dennoch war es wichtig, immer wieder zu vermitteln, dass man die Methoden einfach mal ausprobiert. Mein Motto: „Trust the Process“.
Jetzt sind zum Glück so viele so begeistert, dass es nächstes Jahr sicherlich noch ein paar Teams mehr sein werden, die die Methoden ausprobieren wollen. Es gibt also bereits einige Dragon-Dreaming-Fans bei Acker und die Mund-zu-Mund-Propaganda läuft.
Wem würdest du die Kombination von OKR und Dragon Dreaming empfehlen?
Ich würde Dragon Dreaming allen Organisationen empfehlen, die ihre Zielfindung zu einem Teamprozess machen möchten. Die Methoden eignen sich für alle, die sich und dem Team die Zeit für’s Träumen geben möchten, um so das Engagement der Mitarbeitenden zu stärken.
Generell empfiehlt sich Dragon Dreaming allen, die sich den drei Prinzipien des Dragon Dreaming verschreiben wollen, so wie Acker: wir konnten die Gemeinschaft, also die Teams stärken. Wir erfüllen gemeinsam einen Dienst an der Erde. Und jede einzelne Person konnte in diesem Kontext wachsen.
Liebe Melanie, vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Was für die Zuhörenden vielleicht interessant ist: Melanie ist selbst zertifizierte Dragon Dreaming Trainerin und teilt ihre Erfahrungen gerne mit anderen Interessierten. Wir wünschen dir und dem ganzen Acker-Team weiterhin viel Erfolg!
Was ist Acker?
Acker e.V. ist ein gemeinnütziges und unabhängiges Sozialunternehmen, das Gemüseacker an Kitas, Schulen, Hochschulen und Universitäten bringt. Seine Bildungsprogramme, wie die „GemüseAckerdemie“ oder die „AckerRacker“, sind vielfach ausgezeichnet. Heute bauen durch Acker e.V. mehr als 68.000 Kinder und Jugendliche an rund 1.860 Lernorten in ganz Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz ihr eigenes Gemüse an und lernen dabei, wie Natur funktioniert und wie wertvoll Lebensmittel sind. Daneben gibt es Bildungsprogramme für Erwachsene und Familien, wie das Hochschulprogramm „CampusAckerdemie“, der Mitmach-Newsletter „Ran ans Gemüse“ für Privathaushalte oder die „Ackerpause“ für Unternehmen, Pflegeeinrichtungen und Mieterschaften. Das Ziel: Mehr Wertschätzung für Natur und Lebensmittel bei Menschen wecken. https://www.acker.co
Spannend ist auch der Wirkungsbericht von Acker: Er gibt einen Einblick darin, wie zielgerichtet und fokussiert das Acker-Team an seiner Vision arbeitet.