Geldsegen-Workshop: Die Mitte

Geldsegen: Wie dient Geld dem Guten?

Es ist nicht genug für alle da. Mehr ist besser. Und: so ist das eben.“ Derlei Glaubenssätze sind tief in unser kollektives Unterbewusstsein eingegraben. Geld prägt unsere Lebensweise, unsere Arbeit und unser Miteinander auf subtile Weise. Es kommt zu Konkurrenz, Angst, Kampf und Frust. Doch wie dient Geld dem Guten? Das haben wir im Geldsegen-Workshop erlebt.

Die Sonne schien unerwartet heiß, als die Teilnehmenden Anfang Mai im Ökodorf Sieben Linden in der Nähe von Wolfsburg eintrafen. Von Donnerstag Abend bis Sonntag Mittag sollte es um das „liebe Geld“ gehen. Ein Thema, das viele Menschen umtreibt, die sich für den öko-sozialen Wandel und eine bessere Welt einsetzen. Manche hängen in Brotjobs fest, die sie zwar nicht mit Sinn erfüllen, die sie aber der finanziellen Sicherheit wegen machen. Andere arbeiten Vollzeit in ökologischen und/oder sozialen Projekten. Sie kommen finanziell aber nur schwer über die Runden und wünschen sich mehr Geld. Gibt es hierfür eine Lösung?

Insgesamt 18 Menschen arbeiteten drei Tage lang an diesen Fragen. Dazu widmeten wir uns drei Dimensionen des Geldes

  • Welche Rolle spielt Geld in der Welt?
  • Wie sieht meine individuelle Beziehung zu Geld aus?
  • Wie können wir in Gemeinschaft alternative, solidarische Geld-Praktiken kultivieren?

Welche Rolle spielt Geld in der Welt?

Zunächst beschäftigten wir uns mit der Schere zwischen Arm und Reich. Wie wir alle wissen, geht diese immer weiter auseinander. Sowohl global betrachtet, als auch auf Deutschland bezogen. Aber können wir wirklich erfahren, was das bedeutet? Mit Hilfe von interaktiven Infografiken im Raum erkundeten wir, wie es derzeit in unserer Welt steht: zehn Prozent aller Menschen haben zum Beispiel mehr als 80 Prozent allen Vermögens. 90 Prozent der Menschen müssen sich hingegen weniger als 20 Prozent teilen (Quelle). Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. In Deutschland sieht es kaum besser aus. Stand 2021 haben die vermögendsten zehn Prozent der in Deutschland lebenden Menschen etwa 60 Prozent des Vermögens (Household Finance and Consumption Survey, HFCS).

Wie fühlt sich das für uns an? Wie geht es uns, wenn wir uns mit den Folgen konfrontieren? Damit zum Beispiel, dass die Reichen einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Politik haben? Damit, dass unser Rechts- und Wirtschaftssystem so eingerichtet ist, dass Geld seit Jahrzehnten von unten nach oben verteilt wird? Damit, dass dies zur Folge hat, dass angeblich nicht genug Geld da ist für überlebenswichtige Veränderungen, wie etwa für den Klimaschutz? Damit, dass arme, hungernde, frierende und obdachlose Menschen zunehmend alleine gelassen werden? Damit, dass die Angst vor dem Abstieg den Zulauf zu rechten Parteien und Ideologien befeuert? Damit, dass selbst Genfer Flüchtlingskonvention und Menschenrechte nicht mehr gelten? Weil es heißt: es ist nicht genug für alle da! Mehr ist besser! So ist das eben!

Die drei Mythen des Geldes

Damit sind wir an einem Punkt angelangt, der erklärt, warum wir alle – ob arm oder reich – dieses System der Ausbeutung, der Konkurrenz und der Zerstörung mittragen. Die US-Amerikanerin Lynne Twist hat Jahrzehnte lang Fundraising für das Hungerprojekt betrieben. In dieser Rolle kam sie sowohl mit schwerreichen, als auch mit bettelarmen Menschen in Kontakt – sowie allen dazwischen. Sie erkannte, dass uns alle – unabhängig von unserem finanziellen Wohlstand – drei Mythen in unserer Gedanken- und Handlungsfreiheit einschränken: Es ist nicht genug für alle da. Mehr ist besser. So ist das eben.

Ein Mensch, der diesen drei Grundsätzen (unbewusst!) folgt, hat kaum eine Wahl. Der muss mitspielen bei dem Win-Lose-Spiel um das Geld, ob er will oder nicht. Selbst wenn es die eigenen Werte und damit die eigene Integrität untergräbt. Dieses Gefühl kennen fast alle. Aber geht es wirklich nicht anders? Welche Alternativen fallen uns ein? Wie kann ich an mir arbeiten, um mein Leben nicht mehr im Korsett solcher Glaubenssätze einzuzwängen? Wie können wir gemeinsam Projekte so gestalten, dass genug für alle da ist? Dass genug genug ist! Und dass sie beweisen: es geht auch ganz anders! Wie dient Geld dem Guten?

Der innere und äußere Wandel des Geldes

Der innere und der äußere Wandel müssen Hand in Hand gehen. Davon sind alle, die Projekte mit Dragon Dreaming umsetzen, überzeugt. Das gilt auch und vor allem für das Geld. Nur, wenn wir unsere Haltung, unser Mindset verändern, können wir die Veränderung bewirken, die die Welt so dringend braucht. Solange wir innerlich zum Beispiel den drei Knappheitsmythen rund um das Geld anhängen, sind wir nicht wirklich frei und offen für authentische und tief wurzelnde solidarische Geldpraktiken.

Sich mit dem eigenen „Money Mindset“ zu beschäftigen ist also wichtig. Daher haben wir uns im Workshop auch mit unseren Geldbiografien beschäftigt: welche Erlebnisse und Glaubenssätze haben uns geprägt? Wie bestimmen sie unser Leben und unseren Umgang mit Geld heute? Von welcher Beziehung zu Geld träumen wir für unsere Zukunft? Welches Verhältnis wollen wir zu Geld gehabt haben, wenn wir am Ende unseres Lebens zurückblicken?

Doch eine andere Haltung alleine reicht nicht. Wir brauchen auch die authentisch-solidarische Gemeinschaft mit anderen, alternative Strukturen, Methoden und Möglichkeiten. Denn einschränkende Glaubenssätze können wir Menschen erst dann ablegen, wenn wir die Alternative auch tatsächlich erleben und glauben können. Mir allein zu sagen „es ist genug für alle da“ reicht nicht. Es muss auch stimmen. Erst dann kann ich mich von den tief sitzenden Ängsten befreien, die so oft mit Geld einhergehen.

Das Geldexperiment: der Korb der Fülle

Genau diese Erfahrung haben wir als Gruppe über ein Experiment gefunden. Zunächst brachten alle Teilnehmenden einen für sie bedeutsamen Betrag an Bargeld mit. Diesen legten wir alle gemeinsam in einen Korb, den wir „den Korb der Fülle“ nannten. Über 2.000 Euro kamen dabei zusammen. Eine beachtliche Summe, die uns für die drei Tage gemeinsam zur Verfügung stand. Jede Person konnte sich aus dem Korb Geld nehmen. Einfach so. Ohne zu fragen oder sich erklären zu müssen. Immer aber mit der Intention im Hinterkopf, dass es im Sinne aller ist.

Über den Samstag hinweg entfaltete diese Idee ihre Wirkung. Immer häufiger griff jemand in den Korb, um einem anderen Menschen Geld zu schenken oder etwas für die Gruppe zu besorgen. Aufgrund der intensiven Gespräche am Vortag wussten die Teilnehmenden untereinander von ihren Themen rund um Geld. Von Wunden und Verletzungen, Hürden und Hemmnissen, aber auch Großzügigkeiten und Möglichkeiten. So konnten wir Geld nutzen, um uns gegenseitig wohl zu tun. Tränen flossen. Tiefe Verbindungen entstanden. Wunden fingen an zu heilen.

Diese Erfahrungen vertieften sich durch die testweise Anwendungen von Methoden wie „Empowered Fundraising“ und „Money Pile“. Bei ersterer geht es um eine besonders beziehungsstiftende Methode des Fundraising. Bei letzterem um eine solidarische Methode, um Geld in einem Team, einer Gruppe oder einer Gemeinschaft aufzuteilen.

Gemeinsam schenken: wie dient Geld dem Guten?

Am Samstag Abend setzten wir uns in einen Kreis, um das restliche Geld gemeinschaftlich zu verteilen. In einem stillen Prozess konnte jede Person, die wollte, aufstehen, Geld aus dem Korb nehmen und einer anderen Person in der runde überreichen. Meist mit einer kurzen Wertschätzung oder Erklärung. Dabei ging Geld nicht nur an die Teilnehmenden in der Runde. Sondern zum Beispiel auch an Tobi Rosswog und Laura Riesenbeck, die am Abend zuvor von ihren Erfahrungen mit der Gemeinsamen Ökonomie (GemÖk) berichtet hatten. Mehrere Hundert Euro gingen auch an eine Organisation für Geflüchtete. Das Gästeteam von Sieben Linden erhielt ebenfallsein Trinkgeld als Zeichen der Wertschätzung für die rundum wohltuende Versorgung.

Wir nannten diese Zeremonie „Die Schenkstille der Fülle“. Ein wunderbar verbindender Prozess, der uns allen deutlich machte, dass wir Geld tatsächlich anders nutzen können. Wir erlebten, dass es möglich ist, Geld zu einer Quelle von Solidarität, Wertschätzung und Verbundenheit zu machen. Wie erfuhren, wie heilsam es ist, sich dem „Drachen“ Geld zuzuwenden, auch wenn er vielleicht zunächst beängstigend scheint. Wie fragten: wie dient Geld dem Guten? Und was wir hier fanden, war die wunderbare Erfahrung, dass wir uns in einem sicheren Rahmen unseren Ängsten und Sorgen stellen können. Dass wir in Gemeinschaft Alternativen finden und leben können, die unsere Wunden heilen.

Ilona Koglin bei einem Dragon Dreaming Intensiv-Workshop im Ökodorf Sieben Linden

Dragon Dreaming Geldsegen-Workshop

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